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Zukunftssicheres Klärschlammmanagement

Bei der Abwasserbehandlung in Kläranlagen entstehen große Mengen Klärschlamm, die entsorgt werden müssen.

Klärschlamm besteht zu rund 98 Prozent aus Wasser, daher ist die Entwässerung der entscheidende Schritt, um die Entsorgungsmenge zu verringern. Das bewerkstelligen in den meisten Fällen große Maschinen wie Filterpressen oder Dekanter. Mittlerweile hat sich aber ein alternatives Verfahren etabliert: die ökotechnische Klärschlammvererdung.

 

Mehr als Entwässerung 
Eine Klärschlammvererdungsanlage besteht aus einem oder mehreren großflächigen Beeten, die nach unten durch Folie abgedichtet, mit einer Drainageschicht überbaut und eng mit Schilf bepflanzt sind. Das Schlammwasser des eingeleiteten Klärschlamms versickert zum einen in die Drainageschicht und wird zur Kläranlage abgeführt, zum anderen wird es von den Schilfpflanzen aufgenommen und über deren Blattoberfläche verdunstet. 
Im Wurzelraum der Schilfbeete entwickelt sich eine komplexe Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen. Sie verstoffwechseln die organischen Bestandteile des Klärschlamms und mineralisieren sie. Auch organische Schadstoffe werden reduziert, ebenso Krankheitserreger. Als Ergebnis entsteht eine feinporige, geruchsneutrale, stark humushaltige Klärschlamm-Erde von krümeliger Struktur. 


Für die Vererdung sind sowohl aerobe als auch anaerobe Klärschlämme geeignet. Anlagengröße, Aufbau und Steuerung werden an die jeweilige Schlammmenge, -qualität sowie weiteren Bedarfen der Kläranlage (bspw. zukünftige Entwicklung) angepasst. 
Vererdungsbeete können ganzjährig mit Klärschlamm beschickt werden - sogar im Winter. Die Entwässerungs- und Vererdungsprozesse laufen stetig weiter und lassen die Klärschlammerde mitsamt dem Schilfbestand in die Höhe wachsen. Nach 8 bis 12 Jahren ist ein Beet gefüllt. Es folgt eine mehrmonatige Trocken- und Ruhephase, in der der Vererdungsprozess und die Entwässerung weiterlaufen. Währenddessen nehmen die anderen Beete den anfallenden Klärschlamm auf. Nach der Ruhephase wird das Beet „geräumt“: Die Klärschlammerde wird ausgebaggert und mit Sattelzügen zur landwirtschaftlichen oder thermischen Verwertung abtransportiert. Dabei wird Klärschlammerde mit Rhizomen im Beet belassen, so dass das Schilf wieder austreiben und das Beet erneut mit Klärschlamm beschickt werden kann. 


Das Verfahren wurde Ende der 1980er Jahre in Deutschland entwickelt und zur Marktreife gebracht. Marktführer in Deutschland und Österreich ist die nordhessische PAULY GROUP GmbH & Co. KG, deren Geschäftsbereich EKO-PLANT bislang über 100 Anlagen gebaut hat und mindestens die ersten Jahre, auf Wunsch auch langfristig über viele Jahre, betreut. 

  
Zusätzliche Massenreduktion 
Über die physikalische Entwässerung durch die Schilfpflanzen hinaus reduziert der biologische Abbau die Masse des eingeleiteten Klärschlamms zusätzlich. Die organische Substanz wird zu Wasser und CO2 abgebaut und die eingebrachte Trockensubstanz dadurch um 40 bis 50 Prozent verringert. Insgesamt erreichen Klärschlammvererdungsanlagen eine Massenreduktion von durchschnittlich 93-98 Prozent und damit eine geringere zu verwertende Restmenge, als maschinelle Entwässerungsverfahren. 
Wird die geräumte Klärschlammerde vor der Verwertung auf einer sogenannten Nachlagerfläche einige Monate zwischengelagert, laufen die biologischen Abbauprozesse und Entwässerung weiter und die Restmenge verringert sich noch einmal. 
  
Hohe Wirtschaftlichkeit 
Klärschlammvererdung nutzt natürliche Prozesse und die kostenlose Energie von Sonne, Wind und Schwerkraft. Zusätzliche elektrische Energie wird nur für die Pumpen der Zu- und Ableitungen, für Motorschieber und die elektronische Steuerung benötigt. Die gesamte Technik ist verschleiß- und wartungsarm und läuft weitgehend automatisch. Eine arbeitsintensive Betreuung und Wartung entfällt. Auch die Rückbelastung der Kläranlage mit dem Filtrat aus einer Vererdungsanlage ist deutlich geringer als bei einer maschinellen Entwässerung. Damit entfallen Energiekosten für die Belüftung der Belebung. 
Im Vergleich mit mechanischen Entwässerungsverfahren ist der Finanzierungsbedarf für den Bau einer Klärschlammvererdungsanlage deutlich höher. Dem stehen erheblich geringere Betriebs- und Verwertungskosten gegenüber. Da eine Klärschlammvererdungsanlage über Jahrzehnte betrieben werden kann, ergeben sich in der Gesamtbilanz klare ökonomische Vorteile. 
  
Flexible Verwertung 
Die Schilfbeete einer Vererdungsanlage dienen gleichzeitig als Puffer für die Klärschlammverwertung, die über viele Jahre den gesamten Klärschlamm einer Kläranlage aufnehmen. Damit entfällt der Zwang zu einer kontinuierlichen Entsorgung. Die Räumung eines Vererdungsbeetes wird langfristig geplant und damit sind die Betreiber in der Lage, Zeitpunkt und Art der Verwertung flexibel an die jeweilige Marktsituation anzupassen und sich für den wirtschaftlich besten Verwertungsweg zu entscheiden. Weitere Flexibilität gibt eine Nachlagerfläche auch hinsichtlich der chargenweise Abgabe des Materials in die Verwertung. 


Gute Düngeeigenschaften 
Klärschlammerde unterscheidet sich grundsätzlich von mechanisch entwässertem Klärschlamm. Sie ist hygienisiert, geruchsneutral und stark humuswirksam. Der Stickstoffgehalt ist im Vergleich zu maschinell entwässertem Klärschlamm erheblich reduziert und zu mindestens 90 % organisch gebunden. Durch den Abbau der organischen Substanz reichert sich Phosphat an. 
Aufgrund dieser Eigenschaften wird Klärschlammerde in der Landwirtschaft gerne als effektiver Phosphatdünger, zum Humusaufbau und allgemein zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit eingesetzt. Aufgrund der hohen Abbaustabilität der Klärschlammerden gelten für sie z. B. in Niedersachsen die Düngeregularien für Kompost (verkürzte Sperrfristen und geringere Anrechnung des Stickstoffs). 

Der Nährstoffgehalt der Klärschlammerden ermöglicht es durch Beimischung von Kalk ein Düngemittel ohne wesentlichen Gehalt an Stickstoff herzustellen. Dieses Verfahren ist patentrechtlich geschützt und bietet der Landwirtschaft einen sehr interessanten Dünger mit den für die Bodenfruchtbarkeit wichtigen Komponenten Phosphor, Humus und Kalk. Für diesen Dünger gelten bundesweit nur die Sperrfristen für P-haltige Düngemittel, d. h. dieser kann auch im Sommer nach der Ernte zu fast allen Kulturen ausgebracht werden. 
Die landwirtschaftliche Verwertung ist für Klärschlammerde daher sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht der beste Weg. Nährstoffkreisläufe werden direkt mit sehr hohem Wirkungsgrad geschlossen und das zukünftig vorgeschriebene Phosphorrecycling kann ohne weitere technische Maßnahmen umgesetzt werden. 


Verbrennung problemlos möglich 
Die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm wird durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen ab 2029 weiter eingeschränkt. Die geltenden Übergangsregelungen sehen ein Verbot für Kläranlagen mit einer Ausbaugröße über 100.000 EW ab 2029 vor. Ab 2032 gilt das auch für Anlagen über 50.000 EW. Bei Kläranlagen bis zu einer Ausbaugröße von 50.000 EW steht die landwirtschaftliche Verwertung aber auch darüber hinaus weiter offen. 

Wird mindestens ein Grenzwert nach AbfKlärV oder DüMV überschritten, muss Klärschlammerde schon jetzt verbrannt werden. Die thermische Verwertung von Klärschlammerde wird auch schon sowohl in Mono- wie in Mitverbrennungsanlagen in großem Maßstab durchgeführt. Durch die erhöhte Phosphatkonzentration ergeben sich auch hier, bei der Verbrennung, Vorteile für eine Phosphorrückgewinnung aus der Asche. 
  
Fazit 
Das ökotechnische Verfahren der Klärschlammvererdung hat sich als Alternative zu mechanischen Entwässerungsverfahren fest etabliert. In Deutschland und Österreich existieren über 100 Anlagen und jedes Jahr kommen neue hinzu. Die Klärschlammvererdung punktet mit geringen Betriebskosten, einer zusätzlichen Reduzierung der zu entsorgenden Restmenge, flexibler Entsorgung und optimierten Düngeeigenschaften bei der landwirtschaftlichen Verwertung. Das Verfahren nutzt konsequent natürliche Prozesse und die vorhandene Energie von Sonne, Wind und Schwerkraft. Die Schilfbeete fügen sich harmonisch ins Landschaftsbild ein und bieten zusätzlichen Lebensraum für auf Feuchtgebiete angewiesene Tierarten. Zur guten Öko- und Klimabilanz gesellt sich ein zukunftssicheres Klärschlammmanagement, das flexibel auf die Marktsituation reagieren kann und dem alle Verwertungswege offenstehen. 


Autorin: Dr.-Ing. Saskia Müller, THE PAULY GROUP GmbH & Co. KG; Co-Autor: Dirk Pfuhl