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Klärschlammvererdung in Bayern: Kläranlage Tacherting spart nachhaltig

Wie in Kläranlagen die ökotechnische Entwässerung den anfallenden Klärschlamm
in einen wertvollen Dünger verwandelt und dabei auch noch Kosten spart.
Über 100 Vererdungsanlagen gibt es in Deutschland und Österreich.
Im bayerischen Tacherting steht eine davon.

Kläranlage Tacherting mit den drei Schilfbeeten der Klärschlammvererdungsanlage

Auf einer Fläche von eineinhalb Fußballfeldern stehen in drei Beeten dicht an dicht tausende Schilfhalme. Es handelt sich jedoch nicht um ein Naturschutzgebiet, sondern um ein Stück Ökotechnik der benachbarten Kläranlage Tacherting, 90 Kilometer östlich von München.

In einer Kläranlage werden alle Abwässer gereinigt und das saubere Wasser dann zurück in den natürlichen Kreislauf geleitet. Übrig bleibt der Klärschlamm. Er enthält die Rückstände des Reinigungsprozesses, überwiegend in Form von festen, organischen Substanzen. Zu 98 Prozent besteht Klärschlamm aber aus Wasser. Gut 5.700 Tonnen fallen in Tacherting davon jährlich an und diese große Menge muss fortlaufend entsorgt werden. Das geht nur, wenn der Schlamm entwässert und seine Menge dadurch verringert wird. Denn je geringer die Restmenge, desto geringer auch die Entsorgungskosten.

In den meisten Kläranlagen stehen dafür große Maschinen wie Dekanter oder Kammer­filter­pressen. Sie entwässern den Klärschlamm, benötigen dafür aber sehr viel Energie und personalintensive Wartung. In Tacherting übernehmen das hingegen seit 2011 die Schilfbeete – allein mit der Kraft von Sonne, Wind und Zeit.

Das Prinzip ist einfach

Dem Schlamm wird durch Verdunstung das Wasser entzogen. Über die riesige Blatt­ober­fläche tausender Pflanzen saugt das Schilf gewissermaßen das Wasser aus dem Klärschlamm – schnell und ganz ohne weitere Energie. Zusätzlich zur Verdunstung finden im Wurzelraum der Schilfpflanzen biologische Umbauprozesse statt. Bakterien, Pilze und andere Mikro­organismen bauen dort die organische Substanz des Klärschlamms ab und wandeln sie wieder in ihre anorganischen Bestandteile um. Bei dieser Mineralisation entsteht als Endprodukt stark humushaltige Erde mit einem hohen Teil an Pflanzennährstoffen.

Das hat mehrere Vorteile

Eine Klärschlammvererdungsanlage benötigt gut 90 Prozent weniger Energie als eine vergleichbare maschinelle Entwässerung. Selbst für eine relativ kleine Kläranlage, wie in Tacherting, werden dadurch pro Jahr mehrere Tausend Euro eingespart. Die wenige benötigte Energie könnte sogar durch eine auf dem Gelände installierte Photovoltaikanlage direkt vor Ort erzeugt werden.

Durch die Vererdung und den Abbau der organischen Substanz vermindert sich die verbleibende Restmenge, im Vergleich zu einer mechanischen Entwässerung um bis zu 50 Prozent. Das verringert die Entsorgungskosten.

Wird Klärschlamm mechanisch entwässert, muss die anfallende Menge kontinuierlich abtransportiert und entsorgt werden. Bei einer Klärschlammvererdungsanlage ist das nicht erforderlich. Die Beete werden über viele Jahre kontinuierlich mit Klärschlamm beschickt, die Schilfpflanzen wachsen mit steigendem Füllstand einfach in die Höhe und entwässern und vererden zuverlässig weiter. Erst nach 8 bis 12 Jahren ist ein Beet voll. Dann wird die komplette Klärschlammerde ausgebaggert - geräumt - auf LKW verladen und zur Entsorgung abtransportiert. Aus einem kleinen Rest im Beet treibt das Schilf von allein wieder aus und der nächste Vererdungszyklus kann beginnen.

Die stark humushaltige Klärschlammerde ist hervorragend geeignet, um die Boden­frucht­barkeit zu verbessern und bei Landwirten deshalb ein beliebter Dünger. In Tacherting ist ihre Qualität hervorragend und wenn voraussichtlich 2025 das erste Mal geräumt wird, ist die Abgabe an regionale Landwirte geplant. Das ist nicht nur kostengünstig, sondern auch ökologisch, denn durch die regionale, landwirtschaftliche Verwertung werden Nährstoff­kreis­läufe direkt geschlossen. Sollte eine landwirtschaftliche Verwertung nicht möglich sein, kann Klärschlammerde aber auch problemlos in Verbrennungsanlagen entsorgt werden. Eine Klärschlammvererdungsanlage entwässert und vererdet den Klärschlamm also nicht nur, sie lagert ihn auch. Das hat Konsequenzen für das komplette Klärschlammmanagement. In Tacherting muss der getrocknete Klärschlamm nicht kontinuierlich und zu den gerade geltenden Preisen entsorgt werden. Der Zeitpunkt der Räumung lässt sich flexibel wählen um günstige Marktbedingungen gezielt zu nutzen. Die Klärschlammvererdung wurde vor über 30 Jahren entwickelt und zur Marktreife gebracht. In Deutschland existieren mittlerweile über 100 Anlagen, die zum größten Teil vom nordhessischen Ökotechnik­unternehmen THE PAULY GROUP gebaut und vielfach auch betreut werden. Nur 70 Kilometer entfernt liegen zwei weitere Anlagen in den österreichischen Orten Eberschwang und Obernberg. Und in Buttenheim, südlich von Bamberg, ist ebenfalls eine Klär­schlamm­ver­erdungsanlage geplant, deren Bau noch in diesem Jahr beginnen könnte.

Die Kläranlage Tacherting ist mit einer Ausbaugröße von 7.000 Einwohnerwerten vergleichsweise klein. Das Verfahren der Klärschlammvererdung kann problemlos auch bei weit größeren Kläranlagen eingesetzt werden. So steht die größte, bisher in Deutschland gebaute Vererdungsanlage für aerob stabilisierten Klärschlamm in Norderney und hat eine Ausbaugröße von 49.000 Einwohnerwerten. Für anaerob stabilisierte Schlämme ist die Anlage im nordrheinwestfälischen Emsdetten mit 150.000 Einwohnerwerten noch einmal erheblich größer.